Meine Kindergarten-Fibel

Mit kleinen Schritten in die große Welt der Buchstaben

Institution
Übungskindergarten der BAKIP
ProjektleiterIn
Gertraud Niederreiter
Kategorie
Kategorie 3: Kindergärten, Bibliotheken, Gemeinden und andere außerschulische Institutionen und Vereine sowie alle Partnerprojekte (z. B. Kindergarten –Volksschule)
Gruppengröße
23

1. Projektbeschreibung (Ziele, Ablauf, Schwerpunkte)

Kurzbeschreibung
Mit dem Projekt „Meine Kindergarten-Fibel“ bekommen Kinder im letzten Kindergartenjahr erste vertiefende Einblicke in die Welt der Buchstaben. Meine Arbeitsgrundlagen sind das Trainingsprogramm „Hören, Lauschen, Lernen“ Teil 1 und 2 (HLL) von Prof. Dr. Wolfgang Schneider und die Kybernetische Methode (KYM) von Hariolf Dreher. HLL führt die Kinder über die auditiven Wahrnehmung zur Analyse unserer Sprache: Satz, Wort, Silbe und Einzellaut werden erkannt und benannt. In Geschichten verbinden wir anschließend mit 12 Lauten (A,E,I,O,U,B,L,M,N,R,S,T) die passenden Blockbuchstaben. KYM befasst sich mit bewusster Wahrnehmung und Steuerung des Körpers: Übungen der Großmotorik zur Raum-Lage-Erfassung und Rechts-Links-Unterscheidung, Rhythmisierung von Sprache und Bewegung in Finger-, Klatsch- und Hüpfspielen und beim Sprechzeichnen, Verwendung von sogenannten „Mundbildern“ zur Verdeutlichung der Artikulation. Ich arbeite gruppenübergreifend mit 23 Kindern. Montags gibt es eine Bewegungsstunde, am Mi und Fr die „Schulanfängerspiele“. In Kleingruppen von 5 – 6 Kindern bearbeiten wir in 25 Minuten die Themen der Woche. Die Kinder sollen ihre Ideen einbringen, sich mit Wörtern auseinandersetzen, die für sie bedeutsam sind. Wir verwenden Bildkarten, Fühlkarten, Buchstabenwürfel und Anlautdominos. Neu gestaltet habe ich zusätzliche Bildkarten und handlichere Buchstabenkärtchen. Außerdem 45 Wort-Bild-Karten zum Üben in Selbstkontrolle (eine Seite mit Bild, das Wort auf der anderen Seite). Mit dem Ziel der Transparenz und im Streben um Nachhaltigkeit entwickelte ich auch Arbeitsblätter und Geschichten mit den Anlautwörtern, die jedes Kind bis zum Ende des Kindergartenjahres in seiner Mappe „Meine Kindergarten-Fibel“ sammelt.

2. Dauer/Umfang und ProjektteilnehmerInnen

Beginn des Projektes
18. September 2015
Ende des Projektes
7. Juli 2016
In welcher Frequenz lief/läuft das Projekt?
andere
Anzahl Kinder
23
davon Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch
9
Alter
5
Schulstufen
KIGA
Extern eingebundene Personen
Wir besuchten die Stadtbücherei. Ein Mitarbeiter erklärte das Ausleihen und Ordnungssystem. Nach genügend Schmökerzeit durfte jeder ein Buch ausborgen, das mit den Eltern zurückzubringen war. Im Herbst gibt es einen Informationselternabend. Eltern können Buchstabenkärtchen für die Kinder basteln und mit dem Kind weiter üben.
Partnerorganisation und Ansprechpartner

3. Inhaltliche Kriterien zur Projekterfüllung

Wie werden Lesekompetenz oder ihre Voraussetzungen durch das Projekt nachhaltig und messbar verbessert?
Studien am Psychologischen Institut der Universität Würzburg (1991 bis 1998) haben gezeigt, dass durch HLL die phonologische Bewusstheit bei Vorschulkindern spielerisch stark gefördert werden kann und dass die so geförderten Kinder einen deutlichen Vorteil beim Lesen- und Schreibenlernen haben. Positive Rückmeldungen von Kolleginnen, Eltern und Lehrerinnen bestätigen meine Beobachtung, dass die Kinder durch mein Übungsprogramm großes Interesse für das Lesen entwickeln und sehr gut auf den Erwerb der Schriftsprache vorbereitet werden.
Wie geht das Projekt auf Kinder mit Leseproblemen ein?
Durch das Projekt sollen Kinder Basis-Kompetenzen für ein gelingendes Lesenlernen erwerben. Die Übungen passe ich nach Möglichkeit den individuellen Fähigkeiten der einzelnen Kinder an, gebe mehr oder weniger Unterstützung beim Bewältigen der Aufgaben. Das Material hilft beim Begreifen, auditive und visuelle Wahrnehmung werden gleichermaßen angesprochen. Die zusätzliche Bewegung ermöglicht kinästhetische Erfahrungen. So sind sehr unterschiedliche Lernkanäle aktiviert. Bei Bedarf sind Wiederholungssequenzen im Einzelkontakt möglich. Dazu erleben die Kinder bereits im Lernprozess Kompetenz und Empowerment.
Was sind die Besonderheiten des Projektes?
Eigenständig … habe ich in mehrjähriger Erprobung zwei Übungsprogramme miteinander verbunden und mit eigenen Entwicklungen ergänzt, um den Kindern in meinem Kindergarten ein optimales Lernmaterial passend zu unseren Rahmenbedingungen anbieten zu können. Originell … sind die personalisierten Sammelmappen. … sind meine Anlaut-Geschichten, in denen die Bilder und Wörter der Arbeitsblätter wiederzufinden sind. Kreativ … greife ich Anregungen der Kinder auf. … entwickle ich neues, ästhetisch ansprechendes Übungsmaterial. Innovativ … ist die Nutzung unterschiedlicher Lernkanäle. … ist das Anbieten von Blockschrift für Kindergartenkinder, die sehr daran interessiert sind, Schrift zu verstehen. … sind die Adaptierungen des Materials für ein blindes Kind und damit das Kennenlernen der Braille-Schrift für alle Kinder. … ist die gruppenübergreifende Arbeit, weil die Kinder dadurch ihren sozialen Horizont erweitern und Gesprächskultur üben. …sind die neuen, von mir entwickelten Materialien, die die Kinder auch alleine mit Selbstkontrolle verwenden können. Nachhaltig … ist das Dokumentieren der Lerninhalte in Arbeitsblättern, sodass jedes Kind seine Lernschritte selbst nachvollziehen kann. … ist das Einbeziehen der Eltern. … ist das Einbeziehen von Schülerinnen der BAKIP im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung und im Didaktik-Unterricht. … ist die qualitativ hochwertige Gestaltung des Übungsmaterials, damit es mehrere Jahre lang genützt werden kann.
Eingesetzte Medien
Hören, Lauschen, Lernen Teil 1 und 2 Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht Teil 1: Anleitungsheft, Bildmaterial Teil 2: Anleitungsheft, Bildmaterial, Buchstaben-Fühlkarten, Anlautdomino ABC-Mini-Malblock, Verlag Jürgen Döll für das Erarbeiten der Namen Kindergartenfibel 1, Kindergartenfibel 2 + 3 (lesen mit Mundbildern) Hariolf Dreher, Rothenburger Verlag Laptop mit Mikrofon für Tonaufnahmen für das blinde Kind selbst entwickelte Materialien: Arbeitsblätter zu Aufgaben (reimen, Wörter bauen, Silben klatschen) und Lauten, Bildkärtchen zu den Arbeitsblättern, Geschichten mit den Anlautwörtern, Buchstabenwürfel, Anlautdomino, Buchstabenkärtchen im Setzkasten, Wort-Bild-Karten, Leseblätter Alle Unterlagen mit Schrift habe ich für das blinde Kind mit Braille-Schrift adaptiert.
Wie garantiert das Projekt, dass alle teilnehmenden Kinder tatsächlich viel lesen?
In den Übungssequenzen wechseln sich gemeinsame und individuelle Aufgaben ab, sodass jedes Kind seine Kompetenzen zeigen kann. Über die Weihnachtsferien haben sich zwei Kinder aus der Projektgruppe selbst das Lesen beigebracht. So sind sie nicht mehr darauf angewiesen, dass ihnen jemand vorliest, im Gegenteil, sie sind schon in der Lage, anderen Kindern Bilderbücher vorzulesen. In den Kindergartengruppen ist ein Beschriftungsfieber ausgebrochen: Die Kinder schreiben Namensschilder, bekleben damit ihre Sachen und lernen nebenbei das Lesen aller Namen. Die Kinder sind für Buchstaben und Schrift sensibilisiert, versuchen zu lesen, fragen nach der Bedeutung von Beschriftungen. Die Kindergarten-Fibel behalten die Kinder als Sammelwerk mit vielen Leseanregungen. Dem Interesse an Geschichten kommen wir im Kindergarten auch mit unserer reichhaltigen Bibliothek (rund 1800 Bilderbücher) entgegen.
Wie wird das Projekt abgeschlossen und evaluiert?
Den Abschluss der Arbeiten bildet wieder ein Selbstportrait des Kindes, das zum Anlass genommen wird, mit ihm über die Veränderungen am Selbstbild im Laufe dieses letzten Kindergartenjahres zu sprechen, die gesammelten Blätter zu betrachten und den Lernfortschritt auszuloten. Danach nehmen die Kinder ihre Fibel mit nach Hause und werden in der letzten Kindergartenwoche in feierlichem Rahmen vom Kindergarten verabschiedet. Ich evaluiere laufend die Fortschritte im Programm und die Teilnahme der Kinder. So kann ich bei Bedarf Wiederholungssequenzen einbauen. Da ich alleine an diesem Projekt arbeite, bin ich für alle Rückmeldungen dankbar, besonders gespannt erwarte ich Ihr Feed back.

4. Foto

Gertraud Niederreiter

5. Sonstiges

Was möchten Sie uns sonst noch mitteilen?
In meinem Projekt stecken über 10 Jahre Entwicklungsarbeit und laufende persönliche Weiterbildung. In dieser Form, mit der Sammelmappe „Meine Kindergarten-Fibel“, führe ich das Übungsprogramm im laufenden Schuljahr zum ersten Mal durch. Ich hätte sehr gerne einen Prototyp der Mappe und Materialbeispiele vorgelegt, bekam aber telefonisch die Auskunft, dass ich keine zusätzlichen Unterlagen einschicken soll. So hoffe ich, dass es mir mit meinen schriftlichen Ausführungen gelungen ist, das Projekt umfassend darzustellen. In diesem Jahr ist die Herausforderung bei der Durchführung besonders groß wegen der vielen teilnehmenden Kinder, inklusive eines blinden Kindes, für das ich Methode und Material jeweils anpassen muss. Eines der Fotos zeigt alle 23 Selbstportraits der Kinder, gezeichnet in der ersten Kindergartenwoche im September. Damit startete ich das Übungsprogramm. Das Selbstportrait ist das erste Bild in jeder Sammelmappe, eine zweite Zeichnung bildet den Abschluss am Ende des Kindergartenjahres. Ich finde es interessant, wie bunt und unterschiedlich die Kinder sich darstellen und wie sehr sich ihr Selbstbild im letzten Kindergartenjahr verändert. Ohne schulisches Lernen vorwegzunehmen, erarbeiten sie sich mit mir einen Schatz an Grundkenntnissen, der ihnen den Zugang in die Welt des geschriebenen Wortes eröffnet und gleichzeitig das Interesse an Geschichten und Bilderbüchern vertieft.